Grundlagen der Praxis

Ärger und Wut transformieren

Thay vergleicht unseren Ärger oft mit einem kleinen Kind, das verzweifelt nach seiner Mutter schreit. Wenn ein Kind schreit, schließt die Mutter das weinende Kind sanft in ihre Arme, fragt vorsichtig, was los ist und beobachtet es dabei sehr aufmerksam, um zu erkennen, wie dem Kind zu helfen ist. Allein schon dieser liebevolle Akt – dem weinenden Kind ganz zärtlich zu begegnen – lindert sein Leiden. Ebenso können auch wir unseren Ärger liebevoll umarmen – und dadurch eine erste Erleichterung spüren. Es geht nicht darum, den Ärger zu unterdrücken. Ärger und Groll sind Anteile von uns, die unsere ganze Liebe und unser tiefes Verstehen benötigen – genau, wie das kleine, weinende Kind.

Hat sich das weinende Kind erst mal beruhigt, spürt die Mutter sofort, ob das Kind Fieber hat oder nur eine neue Windel benötigt. Auch wir können erst im Moment, wenn wir ruhig und entspannt sind, achtsam auf unseren Ärger blicken und erkennen, welche Ursachen dazu geführt haben.

Fühlen wir Wut und Ärger in uns aufkommen, dann ist es ratsam, innezuhalten und nichts zu sagen oder zu tun. Gewöhnlich hilft es in diesem Moment bereits, unsere Aufmerksamkeit von der Wut auslösenden Person oder Situation abzuwenden und uns wieder auf uns selbst zu konzentrieren. Wir können Achtsames Atmen oder Achtsamen Gehen praktizieren, um Geist und Körper zu beruhigen und zu erholen. Sind wir innerlich ruhig und entspannt, ist es wesentlich einfacher, aufmerksam und tief auf die Ursachen unserer Wut zu blicken – egal, ob es sich dabei um eine Person oder eine Situation handelt. Oft haben wir ja gerade mit solchen Menschen Schwierigkeiten, die Eigenschaften verkörpern, die unsere eigenen Schwächen spiegeln – Anteile in uns selbst, die wir schwer akzeptieren können. Je mehr wir uns mit unserem Unvermögen annehmen und lieben lernen, umso mehr wird diese Liebe auf die Menschen und die Welt um uns herum strahlen.