Grundlagen der Praxis

Neuanfang

Das Ritual des Neuanfangs lädt uns dazu ein, unsere vergangenen Handlungen, Worte und Gedanken tief und wahrhaftig anzuschauen, um einen frischen Neuanfang in uns selbst und in unseren Beziehungen zu unseren Mitmenschen einzuleiten. In unserem Praxiszentrum praktizieren wir den Neuanfang in der Gemeinschaft alle zwei Wochen und individuell wann immer wir es wünschen. Wir praktizieren Neuanfang, um unseren Geist zu klären und unsere Praxis zu erfrischen. Wir wissen, dass es an der Zeit für diese Form der Praxis ist, wann immer sich ein Bruder oder eine Schwester in der Kommunikation mit einem anderen Mitglied der Gemeinschaft verletzt fühlt oder Abneigung empfindet.

Im Folgenden wird der vierteilige Prozess des Neuanfangs wie er in formeller Form durchgeführt wird beschrieben. Es spricht immer nur jeweils eine Person und sie wird dabei nicht unterbrochen. Die andere Person ist ermächtigt, tief zuzuhören und ihrem Atem zu folgen.

1. Das Wässern der Blumen
ist eine Möglichkeit, unsere Wertschätzung für die andere Person mitzuteilen. Vielleicht berichten wir von Handlungen und Worten der anderen Person, die positiv auf uns wirken, oder von ihren Fähigkeiten, die wir bewundern. Jetzt haben wir die Möglichkeit, die Stärken der anderen Person und ihren Beitrag für das Leben der Sangha aufzuzeigen und sie zu ermutigen, ihre Qualitäten weiter zu entwickeln.

2. Unser Bedauern ausdrücken
In diesem Schritt drücken wir unser Bedauern aus für alle unseren ungeschickten Gedanken, Worte und Handlungen in der zurückliegenden Zeit, für die wir uns noch nicht entschuldigt haben.

3. Eine Verletzung ausdrücken
Vielleicht möchten wir mitteilen, wie ein spezifischer Gedanke, Wort oder eine Handlung der anderen Person in uns ein Gefühl der Verletzung ausgelöst hat.
(Um eine Verletzung zu kommunizieren, ist es hilfreich, zuerst zwei positive Qualitäten der anderen Person mitzuteilen, die wir wirklich beobachtet haben. Häufig wird dieser Schritt in der direkten Kommunikation zwischen den betroffenen Personen und nicht im Beisein der ganzen Gemeinschaft praktiziert. Wir können auch eine dritte Person, der beide Gesprächsteilnehmerinnen vertrauen, um ihre Anwesenheit bitten.9

4. Eine lang andauernde Schwierigkeit mitteilen und um Unterstützung bitten
Diesen Schritt nutzen wir bei lang anhaltenden Schwierigkeiten und Schmerz, der aus Vergangenem resultierend, sich in der Gegenwart manifestiert. Indem wir das Thema, mit dem wir ringen, mitteilen, helfen wir den anderen Personen, uns besser zu verstehen und uns die Unterstützung zu geben, derer wir wirklich bedürfen.

Die Praxis des Neuanfangs hilft uns dabei, das mitfühlende Zuhören und liebevolle Sprechen zu entwickeln. Neuanfang ist eine Praxis des Erkennens und Würdigens der positiven Elemente in unserer Sangha. So können wir beispielsweise erkennen, wie großzügig unsere Zimmernachbarin ihre Einsichten mit anderen Menschen teilt oder wie liebevoll sie sich um die Pflanzen im Garten kümmert.

Die positiven Züge anderer Menschen zu erkennen, erlaubt es uns, auch die eigenen guten Qualitäten zu sehen. Aber so wie wir diese guten Charakterzüge haben, haben wir alle auch unsere Schwächen, beispielsweise das Sprechen aus unserer Wut heraus oder das Gefangensein in unseren fehlerhaften Wahrnehmungen. Indem wir unsere „Blumen wässern“, unterstützen wir einander in der Entwicklung unserer guten Eigenschaften und verringern zugleich unsere Schwächen. Es ist wie in einem Garten, wenn wir die Blumen der Liebe und des Mitgefühls wässern, nehmen wir auch den Samen von Wut, Eifersucht und fehlerhafter Wahrnehmung die Energie.

Wir können Neuanfang jeden Tag praktizieren, indem wir unsere Wertschätzung für unsere Mitschwestern und Mitbrüder ausdrücken und uns sofort entschuldigen, wenn wir etwas sagen oder tun, was sie verletzt. Ebenso können wir anderen Menschen auf höfliche Weise mitteilen, wenn wir uns verletzt fühlen. Die Gesundheit und das Glück der gesamten Gemeinschaft hängen von der Freude, Harmonie und dem Frieden zwischen allen Mitgliedern der Sangha ab.